TAG 10  -  Dienstag, 9. August 2011

Qaanaaq (Thule) + Siorapaluk   🇬🇱


POSITION:   Länge 69°15'W   Breite 77°27'N

Wasser 6°,    Luft 13°


 

 

 

 

 

 

 

die heutige Eiskarte, direkt von der Brücke


Qaanaaq ( Thule)

 

Schon am gestrigen Abend war es ja immer bedeckter geworden, heute Morgen erwachen wir in einer wolkenverhangenen Landschaft. Die HANSEATIC fährt durch den Hvalsund und an der Herbert Insel vorbei auf unser heutiges Ziel zu. Viele große Eisberge zieren den Fjord, als wir uns der nordgrönländischen Hauptstadt Qaanaaq nähern. Um 9:00 Uhr beginnen wir mit der Anlandung, der Ort fängt gerade an zu erwachen. Bald haben Supermarkt und Post, Souvenirladen und Museum für uns geöffnet.

 

Bei einem Spaziergang durch den Ort können wir „Ultima Thule" nach interessanten Schnitzereien durchstöbern oder auch einen Blick in den örtlichen Supermarkt werfen: Das Angebot ist groß, und die Preise halten sich durchaus in Grenzen, wenn man bedenkt, wie lang und weit eine Tafel Ritter Sport reisen musste, um hier verkauft werden zu können ...

 

Der Ort ist recht übersichtlich, Lektoren weisen den Weg, so dass auch die meisten das etwas versteckt am oberen Rand des Ortes gelegene Museum finden. Es wurde 1987 in Knud Rasmussens altem Haus eingerichtet, welches im alten Thule abgebaut und hierher nach Qaanaaq transloziert wurde.  Es beherbergt sowohl  Sammlungen zu den verschiedenen alten Inuitkulturen als auch kostbare Polarforscherdevotionalien, wie Peter Freuchens schöne alte Fahrtenmesser. Auch die Kirche ist geöffnet, und so können wir hier einen Blick auf das berühmte Altargemälde werfen, welches Jesus auf dem Thulefjell sitzend mit blauen Socken zeigt...

 

Es scheint selbst für die hiesigen Fänger etwas Besonderes zu sein, denn die Nachricht verbreitet sich recht schnell: Gestern wurde etliche Meilen nördlich von hier ein Blauwal erlegt. Die Freude bei der Bevölkerung ist groß, garantiert ein solch üppiger Fang doch Nahrung und Hundefutter für viele Tage oder Wochen. Unten am Strand können wir sehen, wie ein Fänger große Stücke Speck und Fleisch mit scharfen Messern in haushaltsgerechte Bröckchen aufschneidet. Das Walfleisch ist kräftig dunkelrot gefärbt und mager, der Speck reinweiß mit schwärzlich-grauer Haut. Der Mann wirft seinen Jagdanteil in eine speckige Schubkarre und transportiert die Fracht so zu seiner heimischen Tiefkühltruhe. Er ist sehr stolz und freundlich, lässt sich gerne bei seiner Arbeit fotografieren und bietet uns sogar die Lieblingsdelikatesse der Grönländer zum probieren an. Doch nur wenige können sich überwinden ein Stück der zähen, öligen Walhaut - das sogenannte Mattaq - zu probieren. Andere sind hingegen begeistert und stecken sich auch etwas von dem rohen Fleisch in den Mund.

 

Um 12:00 Uhr verlässt dann das letzte Zodiac nach einem vielseitigen und interessanten Aufenthalt den Strand von Qaanaaq und die MS HANSEATIC macht sich auf den Weg in den Norden, nach Siorapaluk.

 

THULE

Knud Rasmussen und Peter Freuchen gründeten 1910 ihre Handelsstation in der North Star Bay und benannten sie nach dem mythischen Ort Thule. Die Station entwickelte sich zum Zentrum und Hauptort Nordgrönlands mit Kirche und Krankenstation. Doch 1951 errichteten die Amerikaner in unmittelbarer Nähe ihre Thule-Air-Base, welche mit bis zu 10.000 stationierten Soldaten zur größten Stadt in Grönland wurde. 1953 zwang die dänische Grönlandverwaltung auf Betreiben der Amerikaner die Bevölkerung von Thule ihren Ort aufzugeben. Die meisten siedelten sich daraufhin im 200 km nördlich neu gegründeten Qaanaaq an, welches heute der moderne Hauptort Nordgrönlands ist.

 

 


Siorapaluk

Man ist in Grönland stolz darauf, mit diesem Ort die nördlichste „natürliche Siedlung" der Welt zu besitzen. Andere Orte wie etwa Ny-Alesund auf Spitzbergen liegen zwar noch etwas nördlicher, werden aber sämtlich nur von Wissenschaftlern, Militärs oder saisonalen Grubenarbeitern bewohnt. Siorapaluk hingegen liegt mitten im alten Siedlungsgebiet der Polareskimo und wird nach wie vor von Jägern bewohnt, deren Vorfahren schon mit Peary hier oben unterwegs waren. Als wir im leichten Nieselregen mit unseren knatternden Zodiacs am kilometerlangen Sandstrand anlegen kommen uns schon viele Kinder aber auch Erwachsene entgegen um freundlich und interessiert „Hallo" zu sagen und den seltenen Besuchern auch mal die Hand zu schütteln. In Siorapaluk haben wir mit 77 Grad und 47 Minuten unsere nördlichste Breite auf dieser Fahrt erreicht, viele Kreuzfahrtschiffe verirren sich im kurzen arktischen Sommer nicht hierher, sodass wir noch eine wirkliche Rarität darstellen. Leider sprechen die meisten Einwohner nur grönländisch, was eine Kommunikation erschwert. Seit vielen Jahren lebt jedoch der Japaner Oshima im Ort, der recht redselig ist und auch etwas Englisch spricht. So erfahren wir einiges über das abgeschiedene Fängerleben hier im Norden. Der Wal von vorhin entpuppt sich nun als ca. 15 Meter langer Finnwal, der von 25 Booten gemeinsam gejagt worden war und in stundenlangem Kampf mit Harpunen, Gewehren und Lanzen getötet wurde. Zwar darf ein solches Tier laut offizieller Quote nicht erlegt werden, aber so genau hatte man es im Eifer der Jagd gar nicht erkennen können. Die Fänger in Siorapaluk sind keine Biologen und ziehen erst auf Sylvias interessierte Fragen ein Bestimmungsbuch zu Rate. Bislang hatten sie sich über den außerordentlich großen Zwergwal gefreut, nun erfahren sie zu ihrer Verwunderung, dass sie aus Versehen ein geschütztes Tier auf ihre Kühltruhen verteilt haben. Es wird ihnen aber sicher trotzdem gut schmecken...

 


... und wieder ein schönes Abendessen, serviert von "unserer" Crew.