TAG 11   -   Mittwoch, 10.8.2011

Kap York   🇬🇱


POSITION:   Länge 66° W,   Breite 75°47'N

Wasser 5°, Luft 5°


Das Tagesprogramm hatte uns für den heutigen Morgen ein geruhsames Kreuzen vor Kap York versprochen. Doch mit dem Ausschlafen oder gemütlich Frühstücken ist es vorbei, als der Kapitän um 8:30 Uhr verkündet, das man doch noch einmal die Boote zu Wasser lassen wird, um hier durch die Eisberge zu fahren. Die nahe Küste ist vom Nebel verschluckt, dafür liegen in dem relativ flachen Wasser etliche große Eisberge auf Grund. Der Nebel kommt und geht und verleiht der Szenerie etwas Mystisches. Der bedeckte Himmel lässt die hohen Eisberge in schönen Blautönen schimmern, in der Ferne werden manche aber auch von der Sonne strahlend weiß beschienen. Eine knappe Stunde fahren wir so an den großen Eisgebilden vorbei, bewundern ihre vielgestaltigen Formen mit abgeschmolzenen Oberflächen, ausgespülten Brandungskehlen, frischen Abbruchkanten und kleinen, senkrecht stehenden Türmchen. Immer wieder finden sich auch lange, intensiv blau gefärbte Adern in den sonst einfarbig weiß-hellblauen Eisklumpen. Dies liegt an der unterschiedlichen Struktur des Eises: Das meiste besteht ja aus im Inneren Grönlands gefallenem Schnee, der über die Jahrtausende von weiteren Lagen zusammengepresst wurde, so allmählich immer fester wurde, aber immer noch Millionen winziger Lufteinschlüsse hat. Die blauen Bänder hingegen bestehen aus gefrorenem Wasser, welches im warmen Sommer auf dem Eis entstanden ist und dort Seen und Bäche bildete. Im Winter fror es wieder zu Eis, hat aber keine Lufteinschlüsse wie der umgebende Schnee. Die schöne Farbe ist allerdings nur trügerischer Schein, in Wirklichkeit und aus der Nähe betrachtet ist das Eis einfach nur durchsichtig, die blaue Farbe entsteht nur durch die Reflexion des Lichtes im tiefen Eiskörper.

 

„Wunderbar", „Phantastisch" oder „Unvergesslich" lauten dann nach der Tour einhellig die Kommentare der den Booten entsteigenden Eisfahrer. Schön, dass das ruhige Wetter und eine genügende Lücke im Nebel uns diese spontan ins Programm genommene Ausfahrt ermöglicht hat. Nun dreht die HANSEATIC ihren Bug gen Süden und geht hinaus auf die Melville Bucht. Hier finden sich über hunderte von Kilometern keinerlei menschliche Ansiedlungen mehr, da die Küste äußerst unwirtlich und größtenteils von Eis bedeckt ist.

 

Vor dem Mittagessen holt Sylvia ihren eigentlich bereits für den Morgen geplanten Vortrag über die Seevögel nach. Da gibt es Möwen und Sturmvögel, Lummen und Alke, Gryllteiste und Krabbentaucher. Sie berichtet von den unglaublichen Flugleistungen der Seeschwalben, dem merkwürdigen Aussehen der Papageitaucher, dem speziellen Salzorgan der Röhrennasen und dem traurigen Eingreifen des Menschen, welcher einst den Riesenalk ausrottete und heute vor allem die Albatrosse durch die Fischerei gefährdet.

 

Fern des Ufers ist der wolkenverhangene, graue Nachmittag ebenfalls ideal dazu geeignet einen weiteren Vortrag in der Darwin Hall anzubieten. Jetzt informiert uns Heike Fries über die uralte Vergangenheit Grönlands, dessen dominierenden Gesteinsarten vielfach noch aus dem Erdaltertum stammen. Die Referentin reiht dabei nicht nur abstrakte Jahreszahlen aneinander, sondern versucht auch die ständig wechselnden und oftmals sehr unterschiedlich aufgebauten Ökosysteme vor unserem Auge wieder lebendig werden zu lassen. Wer wusste schon, dass früher riesige Laugenozeane die Erdkugel bedeckten und wir die abbauwürdigsten Eisenlagerstätten der Aktivität kleiner Mikroorganismen verdanken? Das heute so eisige Grönland sah einst ganz anders aus, als sich riesige Sumpfwälder in Kohle verwandelten und Vulkane fleißig Basaltsäulen produzierten ...