TAG 5  -  Donnerstag, 4. August 2011

Pond Inlet/Nunavut, Tay Sound   🇨🇦


POSITION:   Länge 78°58'W   Breite 72°42'N

Wasser 2°,   Luft 12°


Der heutige Tag beginnt mit einen frühen Behördengang: Um 07:00 Uhr bringt unser Chiefmate die kanadischen Einreisebeamten an Bord, und ab 07:30 Uhr werden wir in die Panorama Lounge gerufen, um uns persönlich einen Stempel im Reisepass abzuholen.
 
Mittlerweile befindet sich die MS HANSEATIC vor dem kleinen Örtchen Pond Inlet, wo wir nicht nur behördlich einklarieren müssen, sondern auch eine Anlandung durchführen wollen. Pond Inlet liegt auf einer flachen Landzunge und blickt auf ein grandioses Bergpanorama auf der anderen Seite des Fjordes. Die bis zu 800 Meter hohen Bergspitzen sind teilweise noch schneebedeckt und eine Vielzahl von Gletschern windet sich zwischen den spitzen Gipfeln zum Meer hinab.
 
Nach dem Frühstück geht es an Land: Kanada. Arktis. Inuit. Hohe Erwartungen bei vielen Gästen. Doch wer hier ein fotogenes Idyll von im Einklang mit der Natur lebenden Menschen erwartet hat, wird zunächst erst einmal enttäuscht. Die an den sandigen Pisten aufgereihten Wohnhäuser sind architektonisch eher schlicht gehalten und statt von gepflegten Vorgärten sind sie von Kistenstapeln, fahruntüchtigen Schneemobilen und ähnlichen zivilisatorischen Überresten umgeben.
 
Die öffentlichen Gebäude des Ortes fallen jedoch durch ihre zweckmäßige und moderne Architektur auf. Wer der Einladung ins Kulturzentrum folgt wird sicher positiv überrascht werden: Unterscheiden sich die Wohnviertel von Pond Inlet doch stark von unseren heimischen Gewohnheiten, so wirkt das lichtdurchflutete, moderne Gebäude mit öffentlicher Bibliothek, Internetarbeitsplätzen und kleinem Museum dagegen ganz genauso wie ähnliche Zentren in deutschen Städten.
 
In der großen Mehrzweckhalle führen uns dann einige der Einwohner traditionelle Trommeltänze und Gesänge vor. Sehr speziell sind die merkwürdigen „Throatsongs" -Kehlgesänge, die als eine Art Wettbewerb ausgetragen werden. Anschließend zeigt uns ein junger Mann, wie man sich früher die Zeit im langen, dunklen Winter vertrieb und gleichzeitig seinen Gleichgewichtssinn trainierte: Mit verschiedensten Sprüngen versuchte man eine etwa 2 Meter über dem Boden aufgehängte Robbenattrappe mit den Füßen zu berühren.
 
Interessant ist auch die merkwürdige, an außerirdische Hieroglyphen erinnernde Schrift der kanadischen Inuit, die allerorten auf Schildern, auf Zetteln und sogar im Gesangbuch zu finden ist.
 
 
POND INLET
Pond Inlet wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als Handelsposten der Hudson Bay Company gegründet. Die noch überwiegend nomadisch lebenden Eskimos dieser Region konnten hier Felle und Pelze gegen Dinge ihres täglichen Bedarfs wie Waffen und Munition oder Kaffee, Zucker und Tabak eintauschen. Die Siedlung bestand zunächst nur aus wenigen Gebäuden. Seit den 60er Jahren gaben immer mehr Ureinwohner ihre traditionelle Lebensform auf und wurden hier sesshaft. Mittlerweile zählt der Ort 1.400 Einwohner mit zunehmender Tendenz. Größte Arbeitgeber sind einein der Nähe gelegene Erzmine und die staatliche Verwaltung. Es gibt eine Schule, ein Kulturzentrum, eine Krankenstation, einen großen Supermarkt und täglich Flüge ins südlichere Kanada.
 
Um 14:00 Uhr verlassen wir Pond Inlet wieder und fahren in westlicher Richtung in den Eclipse Sound hinein. Hier zweigen mehrere Fjordarme in Richtung Süden ab und unser Kapitän beschließt aufgrund des guten Wetters noch etwas den Tay Sound zu erkunden. Hohe Berge rahmen den Fjord zu beiden Seiten ein, oftmals steigen die Klippen fast senkrecht aus dem Meer empor. Vereinzelte Eisberge beleben das Wasser. Eine imposante Landschaft, welche ein bisschen an Grönland erinnert. Aber ein Fjord ist kein Sund, und so dreht die MS HANSEATIC irgendwann um und verlässt dieses Fjordsystem wieder.
 
Da wir die Gegend ja nun schon kennen, gibt es in der Panorama Lounge einen lehrreichen Vortrag unseres Arktis-Experten Hans Joachim Kürtz. Er berichtet über die Einwohner des kanadischen Nordens, ihre Geschichte und Gewohnheiten. In seinem Vortrag erfahren wir auch den Ursprung der merkwürdigen Schrift, welche im 19. Jahrhundert von europäischen Missionaren erfunden wurde und Laute und Silben darstellen soll.
 
Wir überqueren nun die „Kreuzung" des Eclipse Sounds in nordwestlicher Richtung und können noch einmal in der Ferne Pond Inlet sehen. Dann fahren wir in den Navy Board Inlet ein, welcher zusammen mit dem Eclipse Sound und Pond Inlet die Bylot Insel von Baffinland trennt. Wir befinden uns hier mitten im Nationalpark Sirmilik, zu dem fast die gesamte Bylot Insel sowie einige angrenzende Gebiete gehören. Der Park heißt auch „Der Gletscherort" und tatsächlich ist die rechterhand liegende Bylot Insel von einer großen Eiskappe bedeckt, von welcher sich in alle Himmelsrichtungen Gletscher herabbewegen. Die Eiskappe hat eine Ost-West-Ausdehnung von ca. 150 km. Nur wenige der Gletscherzungen erreichen jedoch tatsächlich das Meer. Gerade am Eingang vom Eclipse Sound zum Navy Board Inlet erstreckt sich eine etwa 30 km breite flachhügelige Moränenlandschaft bis an den eigentlichen Fuß der Berge.
 
Nach einigen Windungen haben wir diese Wasserstrasse dann gegen Mitternacht passiert und erreichen damit den breiten Lancaster Sound und können somit auf unser nächstes Ziel, Beechey Island zuhalten.