TAG 8  -  Sonntag, 7. August 2011

Craig Harbour und Grise Fjord   🇨🇦


POSITION:   Länge 81°06'W   Breite 76°12'N

Wasser 3°   Luft9°


 

Am Morgen um 8:00 Uhr haben wir die Südspitze von Ellesmere Island erreicht. Der Jones Sound ist offen, von Packeis hier keine Spur. Im Süden sehen wir die Nordseite von Devon Island - eine langgestreckte Küste, an der in regelmäßigen Abständen schmale Gletscher von der zentralen Eiskappe ins Meer münden. Also können wir unsere Fahrt ungehindert fortsetzen und steuern die nächste Bucht an. Bei Craig Harbour befand sich einst eine kleine Inuit-Siedlung, die aber bereits in den 60er Jahren verlassen wurde. In einem breiten Tal kommen mehrere Schmelzwasserströme von entfernten Gletschern herab und haben die Bucht kilometerbreit mit Geröll gefüllt. Wir durchwaten den Flusslauf und können das letzte Gebäude an diesem Platz besichtigen, eine kleine Hütte, die gut instand gehalten und offenbar immer noch von Jägern genutzt wird. Am Fuß des Berghanges hat sich eine üppige Vegetation mit dicken, farbenfrohen Moospolstern etabliert. Auch entlang der Bäche und auf den trockeneren Schotterflächen haben sich spezielle Pflanzengemeinschaften zusammengefunden: An den feuchten Standorten finden sich das Kronblattlose Leimkraut mit seinen lampionartigen Ersatz-Blüten, Sauerampfer und kriechende Weidengebüsche. Weiter oben dominieren Strauchheiden, Weidenröschen und die hübschen Silberwurze mit vereinzelten, letzten Blüten, vor allem aber vielen zipfelmützenartigen Fruchtstän-den, die sich hier und da schon zu den namengebenden, silbernen Fruchtständen geöffnet haben. Über hohe Moränenwälle wandern wir tiefer in das Tal hinein und können hier über die weite Landschaft blicken, dem tosenden Gebirgsbach folgen oder auch die merkwürdigen Permafrosterscheinungen wie die schnurgraden Rinnen der Eiskeilnetze bestaunen. Ein Blick auf den farblich klar abgesetzten Berghang -von unserer Geologin auch treffend als Schokoladenku-chen mit Vanillesauce bezeichnet -zeigt uns unten dunkle Gesteine des Archaikums, die älter als zwei Milliarden Jahre alt sind, während die aufliegenden hellen Kalksandsteine „nur" aus dem Ordovizium stammen, und somit ca. 450 Millionen Jahre alt sind.

 

Es leuchtet vielen nicht ganz ein, warum immer wieder die Gewehre mit an Land gebracht werden, wo es hier doch bestimmt gar keine Eisbären gibt...

 

Nach unserem Spaziergang in Craig Harbour macht sich die HANSEATIC wieder auf den Weg und will näher an den breiten Jakemangletscher heranfahren. Schon bald jedoch liegt ein lockeres Treibeisfeld in unserem Weg. Das hätte uns kaum aufgehalten, doch die scharfen Augen von Kapitän Wolter erspähen in der Ferne einen kaum sichtbaren Fleck, der sich bald als Eisbär entpuppt. Viele Ferngläser richten sich nun auf das entfernte Objekt und schnell werden aus einem zwei Bären - und das nicht einmal 5 km von unserem Landeplatz entfernt! Sie springen jedoch beide von ihren Schollen und schwimmen sehr zur Unfreude der Fotografen in entgegengesetzte Richtungen davon. Nach einer Weile steht der eine von Ihnen jedoch wieder auf einer Scholle und der wachhabende Offizier Dolph manövriert das Schiff behutsam näher das Tier heran. Der große Bär nimmt jedoch kaum Notiz von uns, da er mit wichtigerem beschäftigt ist: Er steht nämlich auf der Scholle seines Kollegen, wo dieser die mageren Reste seiner letzten Robbenmahlzeit zurückgelassen hat. Mit Hingabe knabbert er nun die letzten blutigen Fetzen von den bereits gut abgenagten Rippen und anderen Knochen. Viele Möwen sitzen dicht gedrängt und warten darauf, dass auch für sie ein Bröckchen abfällt. Fast eine Stunde lang liegen wir nur wenige Meter vom Bären entfernt und schauen ihm bei seiner Mahlzeit zu, denn einen solchen Anblick haben auch unsere arktiserfahrenen Lektoren kaum je zu Gesicht bekommen. Irgendwann nimmt er dann doch unsere Witterung auf und beschließt lieber das Weite zu suchen. Interessanterweise verlässt er die Scholle nicht mit einem eleganten Kopfsprung, sondern klettert vorsichtig und wasserscheu rückwärts in die kühlen Fluten ...

 

Wir lassen ihn nun ziehen und setzen unseren Weg in Richtung auf den Gletscher fort. Beim nächsten Eisfeld halten wir an und lassen die Zodiacs zu Wasser. Nun geht es für alle ein knappes Stündchen ins Eis. Wir kurven mit den wendigen Schlauchbooten um die bläulich schimmernden und oftmals sehr bizarr geformten Eisgebilde herum. Jeder meint etwas anderes in den kühlen Skulpturen zu erkennen, da gibt es stolze Schwäne, springende Delphine und allerlei andere fantasievolle Gebilde ...Auf einer fernen Scholle ruht sich ein einsames Walross aus. Die Zodiacs fahren ganz vorsichtig und langsam heran, schalten zum Schluss sogar den Motor aus und die Fahrer benutzen ein Paddel um zu manövrieren. Das genügsame Tier stört sich allerdings weder an den vielen merkwürdigen Fahrzeugen, noch an ihrem knatterndem Geräusch oder dem Geruch der Abgase: es bleibt ungerührt auf seiner Scholle sitzen und würdigt uns manchmal kaum eines Blickes. 

 

Während des Abendessens passieren wir die kleine Inuitsiedlung Grisefjord, welche nur knappe 200 Einwohner hat, damit aber das nördlichste Dorf Kanadas ist. Wir fahren in den gleichnamigen Fjord hinein und genießen bei herrlichem Abendlicht die Fahrt durch den von interessanten Bergen gesäumten Meeresarm.

 

Als wir gegen 22:00 Uhr wieder aus dem Fjord hinauskommen wird schon wieder ein Eisbär auf dem hier treibenden Packeis gesichtet. Im warmen Licht der untergehenden Sonne nähern wir uns langsam dem Tier, welches erst nur vor sich hindöst, dann neugierig näher kommt und schließlich über die Schollen davontrabt.

 

DER EISBÄR

Der lateinische Name Ursus maritimus deutet es an: Die Biologen rechnen ihn zu den Meeressäugern - wie Robbe und Wal - da der Eisbär sein Leben überwiegend auf dem Wasser, bzw. seiner gefrorenen Variante, dem Eis, verbringt. Als Einzelgänger unternimmt er weite Wanderungen auf dem Treibeis - nur hier können die Eisbären Robben erbeuten. In einer Schneehöhle bringt das Weibchen seine zumeist zwei Jungen zur Welt, welche sie allein aufzieht und im Alter von zwei Jahren fortjagt - von nun an müssen sie sich selbst um ihre Nahrung kümmern. An der Spitze der arktischen Nahrungskette stehend, findet sich im Organismus des Bären eine hohe Konzentration von Schadstoffen, die eine ähnliche Gefahr für den Fortbestand der Art darstellt, wie das prognostizierte Abschmelzen der Polkappe, seines Lebensraumes.